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Dr. Helmut Loibl

Mal wieder – dringende Handlungspflicht für alle Biogasanlagenbetreiber!?

Ende Dezember wurde nicht nur das Strompreisbremsengesetz in Kraft gesetzt, sondern auch das „Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz“ EWPBG. Dieses Gesetz kann zu unmittelbaren dringenden Handlungspflichten für Biogasbetreiber verpflichten, muss aber nicht. Vor diesem Hintergrund ist jeder Biogasanlagenbetreiber, der im Zeitraum vom 01.01.2023 bis zum 31.12.2023 gegen Entgelt Wärme verkauft, dringend gehalten, in Schritt 1 zu prüfen, ob er überhaupt unter dieses Gesetz fällt, in Schritt 2 kritisch zu hinterfragen, ob er die Vorgaben des EWPBG im Hinblick auf den massiven Aufwand, der damit verbunden ist, ggf. umgehen kann, oder – wenn dies nicht funktioniert – in Schritt 3 den einzelnen dringenden Handlungspflichten jeweils fristgerecht nachzukommen.

Schritt 1: Falle ich überhaupt unter dieses Gesetz?

Grundsätzlich gilt das EWPBG unter anderem für jegliche Wärmelieferung an Dritte, die gegen Entgelt (sog. gewerbliche Wärmelieferung) erfolgt und der Kunde die gelieferte Wärme zu eigenen Zwecken verbraucht oder an seine Mieter bzw. Pächter weitergibt. Damit können grundsätzlich alle Biogasanlagenbetreiber hiervon betroffen sein, die die beim Verstromungsprozess anfallende Wärme an Kunden veräußern. Tatsächlich betroffen sind allerdings nur diejenigen Biogasbetreiber, die ihren Wärmekunden gegenüber Entlastungen nach dem EWPBG gewähren müssen.

Schritt 1.1: Vorprüfung

Jeder Biogasanlagenbetreiber muss sämtliche Wärmelieferverträge durchsehen und prüfen, welche Wärmepreise er für den Zeitraum 01.01.2023 bis 31.12.2023 vereinbart hat. Wenn er in dem gesamten Zeitraum von keinem Kunden i.S.d. EWPBG – auch bei einer unterjährig erfolgenden Preiserhöhung – mehr als 7,5 Cent/kWh netto verlangt, ist er nicht zu einer Entlastung nach diesem Gesetz verpflichtet und kann an dieser Stelle die Lektüre dieses Beitrags beenden. Wer weniger als 7,5 Cent/kWh netto oder – bei dem für 2023 geltenden reduzierten Umsatzsteuersatz von 7 % - nicht mehr als 8,025 Cent/kWh brutto laut seinem Vertrag verlangt, muss die Vorgaben des EWPBG also nicht weiter beachten.

Schritt 1.2: Detailprüfung

Wenn ein Wärmeliefervertrag eines Biogasbetreibers jedoch mehr als 7,5 Cent/kWh netto für die Wärme veranschlagt (und sei es auch nur für einen Monat in 2023 nach einer erfolgten Preissteigerung), muss die Frage, ob der Anlagenbetreiber unter das EWPBG fällt, sehr viel detaillierter geprüft werden, dann müssen – abhängig vom jeweiligen Kunden - 3 weitere Konstellationen untersucht werden:

a) „Kleinkunden“

Wer Kunden beliefert,

  • die pro Entnahmestelle weniger als 1,5 Mio. Kilowattstunden pro Jahr verbrauchen oder
  • die Wärme im Zusammenhang mit der Vermietung von Wohnraum oder als Wohnungseigentümergemeinschaft beziehen oder
  • eine zugelassene Pflege-, Vorsorge- oder Reha-Einrichtung oder Kindertagesstätte oder andere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe darstellt (Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuches) oder
  • eine Einrichtung der medizinischen Rehabilitation, eine Einrichtung der beruflichen Rehabilitation, eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung oder ein anderer Leistungsanbieter oder Erbringer der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB 9 ist,

darf – wenn der Kunde kein zugelassenes Krankenhaus ist – für das gesamte Kalenderjahr 2023 einen maximalen Wärmepreis von 9,5 Cent/kWh brutto (inklusive Umsatzsteuer) vereinbart haben, um nicht unter das EWPBG zu fallen. Bei den derzeit geltenden 7 % Umsatzsteuer wäre dies ein Nettobetrag in Höhe von weniger als 8,87 Cent/kWh.

b) „Großkunden Wärme“

Wer Kunden versorgt, die entweder mehr als 1,5 Mio. Kilowattstunde je Entnahmestelle pro Jahr verbrauchen oder wer zugelassene Krankenhäuser versorgt, darf für das Kalenderjahr 2023 maximal einen Wärmepreis in Höhe von 7,5 Cent/kWh netto (ohne Umsatzsteuer!) veranschlagt haben, um nicht unter das EWPBG zu fallen.

c) „Großkunden Dampf“

Wer Großverbraucher mit mehr als 1,5 mio kWh oder ein zugelassenes Krankenhaus mit Dampf beliefert, dann dürften maximal 9 Cent/kWh netto(ohne Umsatzsteuer!) vereinbart sein, um nicht unter das EWPBG zu fallen.

Wer also mit keinem seiner Wärmelieferverträge für das Kalenderjahr 2023 die vorgenannten Wärmepreise überschreitet, fällt nicht unter das EWPBG und kann damit nun an dieser Stelle die Lektüre beenden. Wer hingegen mit dem einen oder anderen Vertrag diese Preise überschreitet, und sei es auch nur infolge einer im Laufe des Jahres erfolgenden Preisanpassung, muss die Vorgaben des Gesetzes beachten (siehe nachfolgender Schritt 3). Zuvor sollte er allerdings in Schritt 2 prüfen, ob es nicht sinnvoller ist, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Pflichten umgehen zu können.

Schritt 2: Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung des EWPBG

An dieser Stelle ist zunächst darauf hinzuweisen, dass höhere Preise als die in Schritt 1 dargestellten grundsätzlich unproblematisch sind, vor allem dann, wenn sie bereits vor Dezember 2022 vereinbart waren. Vereinfacht dargestellt erhält der Biogasbetreiber den vereinbarten Wärmepreis auch dann, wenn er über die vorgenannten Grenzen hinausgeht. Allerdings kann er von seinen Kunden letztlich nur die Preise bis zu den in Schritt 1 genannten Grenzen einfordern, für den darüberhinausgehenden Betrag gibt es anstelle des Zahlungsanspruchs gegen den Kunden einen entsprechenden Erstattungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland. Hinsichtlich des reinen Wärmepreises erleidet der Biogasanlagenbetreiber also keine finanziellen Nachteile.

Allerdings darf an dieser Stelle nicht verschwiegen bleiben, dass mit dem EWPBG jeder Anlagenbetreiber nicht unerhebliche Aufwände zu tragen hat: So muss er – um letztlich keine weiteren finanziellen Nachteile zu erleiden – den gesetzlichen Hinweispflichten nachkommen, die Entlastungsbeträge für die einzelnen Kunden ermitteln, diese in den entsprechenden Rechnungen ausweisen und eine tatsächliche Entlastung herbeiführen, Vorgaben bei der Endabrechnung umsetzen usw.. Sodann muss er – um die Erstattung zu erhalten – bei der PwC Deutschland einen Prüfantrag und einen an die KfW zu übermittelnden Antrag auf Vorauszahlung zu stellen und schließlich muss das Ganze von einem Wirtschaftsprüfer/genossenschaftlichen Prüfungsverband/vereidigten Buchprüfer abgesegnet werden. Für die damit verbundenen Aufwendungen erhält der Anlagenbetreiber keinerlei Ersatz oder Aufwandsentschädigung, auch den Wirtschaftsprüfer muss er selbst bezahlen.

Vor diesem Hintergrund muss jeder Anlagenbetreiber selbst kritisch prüfen, ob der Aufwand tatsächlich gerechtfertigt ist. Ein einfaches Beispiel:

Ein Biogasanlagenbetreiber verkauft im Kalenderjahr 800.000 Kilowattstunden an verschiedene einzelne Wärmekunden zu einem Nettopreis in Höhe von 9,2 Cent/kWh = 9,84 Cent/kWh brutto. Damit unterliegt er den Vorgaben des EWPBG, er darf maximal 9,5 Cent/kWh brutto von seinen Kunden veranschlagen, den Unterschiedsbetrag in Höhe von 0,34 Cent/kWh brutto erhält er von der Bundesrepublik. Netto macht dieser Erstattungsbetrag knapp 2.500 Euro im Kalenderjahr aus. Beachtet man, dass man davon letztlich auch noch die Wirtschaftsprüferkosten tragen muss, muss doch sehr bezweifelt werden, ob vorliegend ein Wärmepreis von über 9,5 Cent/kWh brutto überhaupt (wirtschaftlich) sinnvoll erscheint.

Die Problematik des Unterfallens unter das EWPBG könnte hier relativ einfach durch eine Vertragsanpassung erfolgen:

So könnte etwa der Biogasanlagenbetreiber seinen Kunden anbieten, zeitlich befristet – etwa im Zeitraum vom 01.01.2023bis 31.12.2023 – den Wärmepreis abzusenken: Um nicht mehr unter das EWPBG zu fallen, müsste – je nach Wärmekunde, vergleiche hierzu oben unter Schritt 1 – der Preis auf unter 7,5 Cent/kWh netto bei Krankenhäusern und Großkunden (über 1,5 Mio. kWh) oder bei Kleinkunden oder den ansonsten unter Schritt 1 genannten Fällen auf unter 9,5 Cent/kWh brutto abgesenkt werden. Damit würde der Biogasanlagenbetreiber letztlich aus dem Anwendungsbereich des EWPBG herausfallen und nicht weiter den dortigen Pflichten unterliegen.

Bei der konkreten Ausgestaltung ist jedoch aus juristischer Sicht Vorsicht geboten: Keinesfalls sollte einfach ein Schreiben an die Kunden mit der entsprechenden Preisanpassung geschickt werden. Wichtig ist hier einerseits eine zeitlich konkrete Befristung. Weiterhin ist zu beachten, dass diese Vertragsänderung auch zu dem übrigen Vertrag passen muss, eine solche Preisabsenkung könnte vor allem mit Preisanpassungsklauseln kollidieren; hier muss klar festgelegt werden, von welchem neuen Basispreis die Preisanpassung ausgeht und ab welchem Zeitpunkt die Preisanpassung dann erstmalig erfolgen bzw. wieder aufgenommen werden soll. Zu bedenken ist auch, was passiert, falls das EWPBG zeitlich verlängert wird oder die entsprechenden Grenzwerte pro Kilowattstunde abgeändert werden. Eine solche Preisabsenkung sollte also unbedingt fachjuristisch begleitet werden.

Wenn eine solche Preisanpassung nach unten erfolgt, ist derzeit nichts ersichtlich, das gegen die Zulässigkeit einer solchen Regelung sprechen würde: Zwar beinhaltet § 27 des EWPBG ausdrücklich ein Missbrauchsverbot, wonach es nicht zulässig ist, die gesetzlichen Regelungen missbräuchlich auszunutzen. Dort ausdrücklich angesprochen ist jedoch ausschließlich eine sachlich ungerechtfertigte „Erhöhung“ des Wärmepreises, um missbräuchlich mehr Erstattung vom Staat zu erlangen. Wenn jedoch ein Wärmelieferant freiwillig seine Preise absenkt unter den vom Gesetzgeber vorgegebenen Referenzpreis, wird damit ohne weiteren Aufwand für die Allgemeinheit und ohne weitere Kosten für die Bundesrepublik und damit letztlich die Steuerzahler das Ziel des Gesetzes, den weiteren Anstieg der Preise für Wärme zu verhindern, am allerbesten gewährleistet.

Sollte ein Anlagenbetreiber also nach kritischer Prüfung zum Ergebnis kommen, dass für ihn eine vorübergehende Absenkung des Wärmepreises das bessere Kosten-/Nutzenverhältnis darstellt, steht dem grundsätzlich nichts entgegen. Wer jedoch zum Ergebnis gelangt, dass er trotz des nicht unerheblichen Aufwands nicht auf den Erstattungsanspruch gegen die Bundesrepublik verzichten kann, muss jetzt dringend Schritt 3 beachten:

Schritt 3:

Wer unter das EWPBG fällt, hat eine Vielzahl von Pflichten zu beachten, nachfolgend sollen – um den Rahmen des Newsletters an dieser Stelle nicht zu sprengen - nur im Überblick die derzeit akuten Handlungspflichten kurz dargestellt werden:

  • jeweils am ersten Tag jedes Kalendermonats: jedem betroffenen Kunden den Entlastungsbetrag gutschreiben.
    • Gegenüber Kleinkunden (siehe oben): beginnend mit 1. März 2023 (wichtig: zudem muss der für März ermittelte Entlastungsbetrag auch für die vorausgegangenen Monate Januar und Februar mit gutgeschrieben werden in der ersten Abrechnung nach 28.02.23!)
    • Gegenüber Großkunden: 1. Januar 2023
  • Spätestens zum 15. Februar 2023 muss jeder betroffene Kunde in Textform darüber informiert werden über
    • die Höhe der Abschlags- oder Vorauszahlungen (nach Berücksichtigung Entlastungsbetrag)
    • den aktuellen brutto-Arbeitspreis sowie den gesetzlichen Referenzpreis (§ 16 Abs. 3 EWPBG) und
    • die Höhe des Entlastungskontingents (§ 17 EWPBG) und die Höhe des Entlastungsbetrages.
  • Spätestens zum 15. Februar 2023 muss jeder betroffene Wärmeversorger auf seiner Internetseite oder jeden Kunden in Textform allgemein über die Entlastung und die Höhe des Entlastungsbetrages informieren. Diese Informationen müssen
    • einfach auffindbar sein
    • verständlich sein,
    • eine Hinweis über den kostenmindernden Nutzen von Energieeinspeisung enthalten und
    • darauf hinweisen, dass die Entlastung aus Mitteln des Bundes finanziert wird.

Selbstverständlich ist es damit noch nicht getan, das EWPBG hält eine ganze Reihe weiterer Pflichte für Wärmelieferanten parat. Auch ist das zweistufige Verfahren, um die Entlastungsbeträge von der Bundesrepublik Deutschland erstattet zu erhalten, mit einem gewissen Aufwand verbunden. Leider sind die Vorgaben des Gesetzgebers so zahlreich und auch komplex, dass sie nicht in einer einfachen Übersicht dargestellt werden können, hier müssen sich die betroffenen Anlagenbetreiber im Detail damit auseinandersetzen.

Fazit

Die Handlungspflichten für vom EWPBG betroffene Wärmelieferanten sind zahlreich und leider auch sehr komplex. Zwar erhalten die betroffenen Anlagenbetreiber im Ergebnis die den Kunden gutzuschreibenden Entlastungsbeträge vom Staat zurück, der mit der gesamten Abwicklung verbundene Aufwand und auch die Testierkosten bleiben beim Wärmelieferanten hängen. Vor diesem Hintergrund muss jeder kritisch prüfen, ob er überhaupt betroffen ist und wenn ja, ob es nicht sinnvoller ist, durch entsprechende – nicht gegen die Rechtsordnung verstoßende – Gestaltungen aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes zu fallen.

Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung!

Bildquelle: pixabay.com

Dr. Helmut Loibl

Partner, Rechtsanwalt - Leitung Referat Erneuerbare Energien

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