Zum Hauptinhalt

Teilen

Dr. Helmut Loibl

Strompreiserlöse abschöpfen bei Biogasanlagen – Warum die aktuellen Pläne völlig inakzeptabel sind!

Aktuell wird – so die öffentliche Diskussion – vom BMWK geplant, RÜCKWIRKEND ab 1.3.22 auch bei Biogasanlagen den gesamten Umsatz, der höher als 3 ct/kWh über der gesetzlich zugesicherten EEG-Vergütung liegt, abzuschöpfen. Der Bundestag soll hier ein entsprechendes – vom BMWK vorbereitetes - Gesetz erlassen. Notwendig soll das wegen entsprechender EU-Vorgaben sein.
Eine solche Abschöpfung ist jedoch alles andere als zielführend:

1. Gründe gegen eine rückwirkende Abschöpfung

· Massiver Eingriff in den Bestandsschutz:

Ein solcher Eingriff in einen abgeschlossenen Sachverhalt begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken gegen das sog. Rückwirkungsverbot. Kein Biogasbetreiber kann sich im Nachhinein auf diese neue Rechtslage einstellen und seine Fahrweise, seine Einsatzstoffkosten etc. ändern, gleichwohl soll er die vertraglich vereinbarten Gegenleistungen nicht behalten dürfen.

· Die EU-Vorgabe sieht keinerlei Rückwirkung vor, sondern eine Abschöpfung nur für die ZUKUNFT (nur im Zeitraum von 1.12.22 bis 31.3.23)!

Dort ist lediglich nachrichtlich erwähnt, dass „eine frühere freiwillige Anwendung durch die Mitgliedstaaten“ unberührt bleiben würde. Das wiederum begegnet rechtsstaatlichen Bedenken, wenn die Rechtsgrundlage erstmals im September 2022 diskutiert wird, Auswirkungen aber schon ab dem vorausgegangenen März gelten sollen.

· Eine rückwirkende Abschöpfung von UMSATZ begegnet ebenso erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken: 

Völlig zu Unrecht geht man hier davon aus, dass alles 3 ct/kWh über der EEG-Vergütung zwingend Gewinn wäre, was jedenfalls bei Biomasseanlagen keinesfalls den Fakten entspricht: Die Kostenseite für Biogasanlagen ist seit März 2022 massiv gestiegen, die Einsatzstoffpreise haben sich dramatisch erhöht, je nach Region teilweise sogar um mehr als 2/3! Hinzu kommen die gestiegenen Eigenstromkosten, Dieselkosten, Ausgaben für ad-blue usw. Die EEG-Vergütung war damit seit März 2022 für viele Biogasanlagen gar nicht mehr auskömmlich, die Anlagen wurden teilweise nur deshalb weiterbetrieben, weil die Mehrkosten über den Strommarkt abgedeckt werden konnten. Eine Abschöpfung in der Vergangenheit greift vor diesem Hintergrund absolut in den Bestand der Anlagen ein!

· In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gerade hochflexible Biogasanlagen in den letzten Jahren häufig Millionenbeträge investieren mussten, um ihre Anlage für den Strommarkt fit zu machen. Einige haben gerade in den letzten Monaten weitere Investitionen auf den Weg gebracht, um ihre Anlage zukunftsfähig zu machen, gerade weil sie sich das angesichts der im letzten halben Jahr höheren Strommarkterlöse leisten konnten. Die rückwirkende Abschöpfung in Zusammenschau mit den massiv erhöhten Kosten wird hier einigen Anlagenbetreibern den wirtschaftlichen Boden entziehen.

· Eine Abschöpfung bei Biogasanlagen widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz:

Biomethan wird ausweislich der EU-Vorgabe nicht abgeschöpft, Biomethan ist aber zu 100% weiter aufbereitetes Biogas und damit mit diesem in jeglicher Hinsicht vergleichbar. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung fehlt. PV und Wind sollen bei 18 ct/kWh abgeschöpft werden, hier verbleiben beim Anlagenbetreiber i.d.R. zwischen 8 bis 14 ct/kWh mehr als die EEG-Vergütung und nicht nur 3 ct/kWh (zudem haben Wind und PV keinerlei laufende Einsatzstoffkosten).

· Eine Abschöpfung von Biogasanlagen bestraft diejenigen, die dafür gesorgt haben, dass die Strompreise nicht (noch) weiter steigen:

Anders als PV und Wind können Biogasanlagen dann produzieren, wenn der Strom gebraucht wird, insbesondere also dann, wenn die Strombörsenpreise – mangels ausreichendem Stromangebot – sehr hoch sind. Genau in diesen Zeiten haben die hochflexiblen Biogasanlagen hohe Einspeiseleistungen erbracht, was dazu führt, dass sie faktisch gegen den hohen Strompreis angefahren sind. Um das ermöglichen zu können, wurden teilweise erhebliche Mehrkosten bei der Biogasproduktion in Kauf genommen (höhere Substratpreise etc.). Jetzt dieses zielführende Verhalten von Biogasanlagen mit einer rückwirkenden Abschöpfung zu bestrafen, ist für keinen Anlagenbetreiber nachvollziehbar und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kaum in Einklang zu bringen.
 
2. Gründe gegen eine zukünftige Abschöpfung (ab 1.12.2022)

· Die Kosten der Biogasproduktion sind – s.o. – massiv gestiegen. Ein Preis von 3 ct/kWh über der EEG-Vergütung ist für sehr viele Anlagen nicht ansatzweise kostendeckend. Die Folge einer künftigen Abschöpfung ist, dass diese Anlagen in dieser Zeit ihre Produktion aus Wirtschaftlichkeitsgründen herunterfahren müssen. Und das in einer Zeit, in der jede kWh Strom (und auch nutzbare Abwärme!) dringend benötigt wird.

· Selbst die – m.E. überschaubaren – Biogasanlagen, bei denen ein wirtschaftlicher Betrieb mit 3 ct/kWh über EEG-Vergütung machbar ist, werden das eigentliche Potential von Biogas ungenutzt gelassen: 

Gerade hochflexible Biogasanlagen verdienen Geld damit, bei Stromknappheit (die bei hohen Strombörsenpreisen vorliegt) große Leistungsmengen einzuspeisen und bei Stromüberschuss herunterzufahren. Ein solcher Betrieb einer Biogasanlage ist aber sehr aufwändig (ständige Start/Stoppvorgänge, höherer Verschließ, höherer Personalaufwand etc.). Wenn ohnehin ab einer starren kWh-Grenze der Umsatz abgeschöpft wird, und kein Biogasbetreiber etwas von diesem Mehraufwand hat, wird auch keiner mehr „gegen die hohen Strompreise anfahren“, sondern allenfalls eine gleichbleibende Leistung einspeisen. Hinzu kommt, dass die EEG-Vergütung bei Biogasanlagen pro kWh grundsätzlich höher ist, wenn weniger eingespeist wird. Auch das wird dazu führen, dass Biogasanlagen, sofern sie überhaupt am Netz bleiben, ihre Leistung deutlich herunterfahren werden. Folge: WENIGER STROM und vor allem WENIGER STROM ZU ZEITEN, in denen er DRINGEND GEBRAUCHT wird.

· Viele Anlagenbetreiber werden geradezu in wirtschaftliche Nöte getrieben:

Zahlreiche Biogasbetreiber haben für den Zeitraum Dezember bis März ihre Strommengen bereits über den Terminmarkt zu deutlich höheren Preisen als 3 ct/kWh über EEG-Vergütung verkauft. Wegen der gestiegenen Kosten war das für sie wegen der höheren vereinbarten Strompreise gleichwohl wirtschaftlich. Wenn nun eine Abschöpfung erfolgt, gelten die geschlossenen Verträge gleichwohl weiter, d.h: der Biogasbetreiber muss liefern, hat die massiv gestiegenen Kosten zu tragen, erhält aber durch die Abschöpfung keine adäquate Vergütung dafür. Das wird zahlreiche Biogasanlagenbetreiber in erhebliche finanzielle Nöte bringen.

3. Was deutlich besser wäre:

· Forderung 1:     
       
Rückwirkung komplett streichen, eine solche ist unter keinerlei tragfähigen Gesichtspunkte zu rechtfertigen. Eine Abschöpfung darf allenfalls für die Zukunft (ab 1.12.22) festgelegt werden.

Hierbei ist zu bedenken, dass die Biogasbetreiber ihre Mehrerlöse ohnehin nicht uneingeschränkt behalten: 42 % Einkommenssteuer, 19 % Umsatzsteuer, ggf. Stromsteuer usw. à das soll im Übrigen bei einer Abschöpfung beim Staat wohl alles wegfallen!?

· Forderung 2:

--> Biogas muss auch künftig (wie auch Biomethan) komplett aus der Abschöpfung ausgenommen werden. Nur so werden Biogasbetreiber ihrer Anlagen nutzen, um möglichst viel Strom einzuspeisen und vor allem, um „gegen die hohen Strompreise“ anzufahren und den Strommarktpreis dann zu stabilisieren, wenn er zu hoch wird.

--> Hilfsweise: Die Abschöpfung darf wirklich nur am Gewinn und nicht am Umsatz anknüpfen, 3 ct/kWh als Puffer über der EEG-Vergütung sind hier deutlich zu wenig! Zudem muss ein Anreiz geschaffen werden, dass Biogasanlagen weiterhin nicht nur Strom produzieren, sondern dann laufen, wenn der Strom wirklich gebraucht wird (also zu Hochpreiszeiten).

Bildquelle: pixabay.com

Dr. Helmut Loibl

Partner, Rechtsanwalt - Leitung Referat Erneuerbare Energien

Newsletter

Wir informieren Sie regelmäßig über wichtige aktuelle Informationen zu Ihren Wunsch-Themen.