Sittenwidrigkeit einer Enterbung?
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Wie weit reicht der erbrechtliche Zuwendungsverzicht?
Ehegatten setzten einander häufig gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen gemeinsam, wer Schlussererbe des zuletzt versterbenden Ehegatten werden soll. Häufig ist diese Anordnung (ausdrücklich) bindend. Diese Bindungswirkung hat zur Folge, dass der überlebende Ehegatte, die Schlusserbfolge in der Regel nicht mehr abändern kann.
Um diese in der Praxis manchmal nicht gewünschte Folge zu vermeiden, etwa weil der Schlusserbe schon zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten abgefunden werden soll, kann u. U. ein notarieller Zuwendungsverzicht in Betracht kommen. Hier ist aber Vorsicht geboten, um unliebsame Folgen zu vermeiden, wie das aktuelle Urteil des OLG Celle (Urteil vom 17.04.2023) zeigt. Im konkreten Fall, war die Stieftochter der Ehefrau, ersatzweise die Kinder der Stieftochter, bindend zu Schlusserben eingesetzt. Die überlebende Ehefrau wollte aber nach dem Tod ihres Mannes eine andere Person als ihren Erben bestimmen.
Dazu vereinbarten die Erblasserin und deren Stieftochter einen notariellen Zuwendungsverzicht für sich und ihre Abkömmlinge. Das OLG Celle gelangte aber trotz dieser Formulierung zu dem Ergebnis, dass sich der Zuwendungsverzicht nur auf die Stieftochter, nicht aber deren Kind erstreckt. Denn nach gesetzlicher Regelung kann sich eine solcher Verzicht nur auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstrecken, wenn der Verzichtende selbst ein Abkömmling oder Seitenverwandter der Erblasserin ist. Sie ist aber nur die Stieftochter.
Fazit für die Praxis:
Zuwendungsverzichte können im Einzelfall helfen, eine im Nachhinein ungewünschte Bindungswirkung faktisch zu beseitigen. Es ist aber im Einzelfall genau zu prüfen, wer eine Verzichtserklärung abgeben muss und, ob die ggf. erforderliche vollständige Abfindung dafür erfolgt.
Bildquelle: pixabay